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Persönlichkeiten von schwulem Interesse

Nkosi Johnson

Helmut

Diesen Monat viel mir die Wahl des Manns des Monats besonders schwer. schließlich hat der designierte regierende Bürgermeister Berlins endlich einmal deutlich demonstriert, das auch in der Politik als einer der letzten schwulenfreien Zonen ein Coming-Out kein Problem sein muss. Trotzdem habe ich mich für jemand anderes entschieden, der diesen Monat auch Schlagzeilen gemacht hat, aber traurigere. Heute möchte ich euch nämlich kurz den zwölfjährigen Nkosi Johnson vorstellen.

Nkosi Johnson entwickelte sich zu der Gallionsfigur im Kampf gegen AIDS in Süd-Afrika. Sein großer Auftritt war bei der Welt-Aids Konferenz 2000 im südafrikanischen Durban. Eigentlich hat Nkosi nichts besonderes gesagt. Zitiert wird immer seine Appell "Wir sind normale menschliche Wesen. Wir können laufen, wir können sprechen." Etwas selbstverständliches? Nicht in Süd Afrika. AIDS wird in Süd Afrika immer noch totgeschwiegen. Es gibt praktisch keine Aufklärungs- oder Präventionsprogramme. Infizierte, bei denen Aids ausgebrochen ist, werden in irgendwelche Krankenhäuser abgeschoben oder sterben still und leise hinter verschlossenen Türen. Als vor einigen Monaten ein hoher Regierungsmitarbeiter starb, war allgemein bekannt, das er an den Folgen von AIDS starb. Offiziell wurde aber konsequent von einer plötzlichen und unbekannten Erkrankung geredet.

Der Weltaidskongress selbst war von der Haltung des südafrikanischen Präsidenten Mbeki geprägt. Mbeki düpierte die Wissenschaftler und Hilfsorganisationen auf dem Kongress, indem er den Zusammenhang zwischen HIV und AIDS bestritt. So beriet er sich bevorzugt mit den sogenannten AIDS-Rebellen, die Drogenmisbrauch und falsche Ernährung als Ursachen von AIDS ausmachen. Dadurch musste sich der Weltaidskongress wieder einmal mit der Frage nach der Ursache von AIDS auseinandersetzen, eine Frage, die nahezu alle Ärzte und Wissenschaftler schon seit vielen Jahren als geklärt betrachten. Die Atmosphäre war entsprechend gereizt. Die Teilnehmer des Weltaidskongresses kritisierten lautstark die Politik von Präsident Mbeki. Und Mbeki betonte, dass die Armut, Ernährung und Ausbildung wichtigere Probleme seien als AIDS. Wohlgemerkt in einem Land, in dem schätzungsweise die Hälfte der heute 14 bis 20 jährigen an AIDS sterben werden. Und in dem die Lebenserwartung bis 2005 nach UN-Schätzung um 17 Jahre sinken wird, wegen AIDS.

In diesem Klima trat der damals 11 jährige Nkosi auf die Bühne. Nkosi wurde bereits mit dem HI-Virus geboren. Seine Mutter gab ihn in ein Kinderheim. Sie hatte Angst, dass die Nachbarn erfahren würden, dass sie beide HIV-positiv sind. Dem Kinderheim wiederum wurde die finanzielle Unterstützung gestrichen und es musste schließen. Nkosi hatte trotzdem Glück. Anders als viele andere HIV-positive Kinder fand er Adoptiveltern. Die Leiterin des Kinderheims nahm ihn auf. Bei der Adoption gaben ihm die Ärzte übrigens noch 9 Monate. Seine Pflegemutter versuchte Nkosi ein normales Leben zu ermöglichen. Jetzt hätte sie natürlich einfach die HIV-Infektion geheimhalten können. Aber sie wählte nicht den einfachen Weg. Nein, sie machte kein Geheimnis aus seiner HIV-Infektion und kämpfte gegen die dann entstehende Diskriminierung an. So gab sie bei Nkosis Einschulung bereitwillig an, dass er HIV-positiv ist. Als daraufhin seine Einschulung verweigert wurde, setzte sie mit Hilfe der Medien durch, das er doch in die Schule gehen durfte. Mittlerweile haben alle HIV-positiven Kinder in Süd-Afrika das Anrecht auf eine Schulbildung. Nkosis Pflegemutter hat auch eine Pflegeorganisation für HIV-positive Kinder und ihre Mütter gegründet, Nkosi's haven. Seine Pflegemutter wurde deshalb auch heftig kritisiert. Ihr wurde vorgeworfen, dass sie Nkosi instrumentalisiere und für Ihre politische Agenda ausbeute. Nkosis Auftritt beim Weltaidstag baute jedenfalls auf einer Historie als AIDS-Aktivist auf.

Eigentlich hätte Nkosi vor Präsident Mbeki sprechen sollen. Dieser erreichte jedoch eine Änderung der Redereihenfolge, so dass er beim Auftritt Nkosis bereits fertig war. Während Nkosis Rede, als er die Regierung aufforderte an schwangere Mütter AZT zu geben, um die Übertragung des HI-Virus auf die Kinder zu verhindern, verließ der Präsident dann die Konferenz. Nach eigenen Aussagen, weil er dringende Termine hatte. Dadurch verlieh er aber Nkosis Rede noch zusätzliche Aufmerksamkeit. Nkosi war im letzten Jahr auf vielen AIDS-Konferenzen. Er wurde auch von vielen Prominenten besucht, etwa von Nelson Mandela, von Winnie Mandela, von Mbekis Frau. Auffallend ist aber das Fehlen von Mbeki selbst in dieser Liste.

Nkosis auftritt hat das Tabu um AIDS in Süd Afrika nicht gebrochen. Aber doch erheblich angekratzt. Auch in den USA und West-Europa war der Umgang mit AIDS zunächst von Irrationalität und Ausgrenzung geprägt. Man denke nur an die Vorschläge, HIV-positive in Quarantänelagern zu isolieren oder deutlich sichtbar zu tätowieren. Erst mit der Erkrankung und dem Tod bekannter und akzeptierter Filmschauspieler und Topsportler änderte sich der Umgang mit AIDS. Langsam, aber unaufhaltsam. Ein ähnlicher Wandel begann nun in Süd Afrika. Nkosi machte deutlich, dass AIDS in Süd Afrika existiert. Und vor allem, was für ein Gesicht AIDS dort hat. Anders als in den westlichen Industriestaaten ist AIDS in Süd-Afrika eine Krankheit der Kinder, die von Ihren Eltern noch vor der Geburt infiziert wurden, und der jungen Erwachsenen, die sich bei ungeschütztem, heterosexuellen Geschlechtsverkehr in großen Zahlen infizieren.

Nach seinem Auftritt war Nkosi die wohl bekannteste und beliebteste Figur der süd afrikanischen Anti-AIDS Bewegung. Diese Popularität nutzte er, bzw. seien Pflegemutter, für viel medienwirksame Öffentlichkeitsarbeit. Aber nicht lange. An einem seiner letzten Interviews sagte Nkosi, dass er in den Himmel wolle. Seit Dezember konnte er nicht mehr sprechen, essen oder auch nur aufrecht sitzen, so seine Pflegemutter. Am 1.6. schließlich starb Nkosi.

Wie umstritten Nkosi und seine Pflegemutter waren, zeigt vielleicht auch die Titelstorie der Zeitung "Sowetan" am Tag vor Nkosis Tod. Hier behauptete eine Medizinerin, sein Gesundheitszustand sei so gut, dass er zur Schule gehen könne. Seine Pflegemutter hindere ihn aber daran, um weitere Spenden für ihr Hilfswerk zu erhalten. Die Medizinerin habe auch die Menschenrechtskommission wegen des Verdachts auf Kindesmissbrauch eingeschaltet.

Andi Warhol sagte einmal, jeder Mensch könne für 15 Minuten berühmt werden. Nkosi Johnson hatte 11 Monate, von der AIDS-Konferenz im Juli 2000 bis zu seinem Tod am Juni 2001. Er hat diese Zeit gut genützt.

 


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Letzte Änderung 16.1.2004